Zum Tagesordnungspunkt: Finanzminister verstößt gegen Amtspflichten - Niedersachsen verliert bei Bankenfällen Millionen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1824 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 15/1986

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion ist überschrieben mit Finanzminister verstößt gegen Amtspflichten - Niedersachsen verliert bei Bankenfällen Millionen. Beide Teilüberschriften entsprechen der Wahrheit. Ich werde das an wenigen Beispielen nachweisen. Auf eine Kleine Anfrage vor wenigen Wochen zum gleichen Thema hat Finanzminister Möllring geantwortet:

Die Niedersächsische Landesregierung hat keine Veranlassung, den Gesetzesvollzug in anderen Ländern zu hinterfragen bzw. auf etwaige Maßnahmen hinzuwirken. - Das war die Antwort auf die Frage, ob es im Zusammenhang mit den Bankenfällen sein könne, dass nicht alle so korrekt, effizient und gut in den Bankenfällen den Steuerhinterziehern auf die Schliche gekommen sind und den entsprechenden Beitrag im Länderverbund geleistet haben, die hinterzogenen Steuern für die Staatskasse zu mobilisieren. Herr Möllring hat also gesagt: Es gibt überhaupt keine Veranlassung, sich aufzuregen, und tun werde ich auch nichts. - So heißt das auf Hochdeutsch.

Ich zitiere jetzt aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs zu 2004. Er schreibt: Die Finanzbehörden der Länder haben anonyme - unter Mithilfe von Banken vorgenommene - Kapitalübertragungen ins Ausland - die so genannten Bankenfälle - unterschiedlich bearbeitet und ungenügend aufgeklärt. Dadurch haben sie mehr als 2,6 Milliarden Euro Steuerausfälle verursacht. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Rechts- und Fachaufsicht nicht entsprechend wahrgenommen. - Das ist die Botschaft des Bundesrechnungshofs. Sie hat zwei wichtige Aussagen. Die eine ist: Offensichtlich ist doch das richtig, was wir in der Kleinen Anfrage vermutet haben, dass in den 16 Bundesländern in Fragen der Bankenfälle unterschiedlich intensiv ermittelt und vollzogen worden ist. Die zweite - wichtigere - Botschaft ist aber, dass 2,6 Milliarden Euro dem Staat durch die Lappen gegangen sein sollen. Das ist der Skandal, der hinter diesem Antrag der SPD-Fraktion steht, Herr Möllring. Das ist das, was der Bundesrechnungshof Ihnen ins Stammbuch schreibt.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind nicht bereit, tatenlos zuzusehen, wenn die Finanzministerkonferenz bei den Möglichkeiten, die sich im Laufe der Jahre ergeben haben, gemeinsam auch den Bundesfinanzminister davon zu überzeugen, dass es bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung einheitliche Vorgehensweisen geben muss, den Ball einfach hin und her schiebt und die Dinge durch Zeitablauf erledigt werden. Tatsächlich hat Niedersachsen hervorragende Arbeit geleistet.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Möllring, das möchte ich durchaus auch für die Zeit konzedieren, in der Sie im Amt sind. Die Vorarbeiten waren da. Die Verschlüsselungsmethoden sind geknackt worden, und Monat für Monat sind durch hervorragend qualifizierte Beamtinnen und Beamte die Mittel hereingekommen. Niedersachsen hat inzwischen einen Deckungsbeitrag von 690 Millionen Euro in die Kassen gebracht. Der entscheidende Punkt, auf den ich hinweisen möchte -

Vizepräsident Ulrich Biel: Einen Augenblick, bitte. - Herr Bode, wir hätten nichts dagegen, wenn sich Ihre Mitarbeiterin hinstellt oder Sie mit ihr hinausgehen.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist nicht seine! Das ist unsere!)

Herr Aller, bitte!

Heinrich Aller (SPD):

Wenn man die im Laufe der Zeit deutlich gewordenen Zahlen vergleicht, stellt man fest, dass Bayern in dem Zeitraum, in dem das arme Niedersachsen über 500 Millionen Euro aus Steuerhinterziehungen eingefahren hat, 311 Millionen Euro in die Kasse gebracht hat. Das um 50 % bevölkerungsreichere Bayern bringt deutlich weniger Steuern in die Kasse als das ärmere Flächenland Niedersachsen. Das muss einen Finanzminister eigentlich stutzig machen. Da spricht einiges dafür, dass nicht mit gleicher Elle gemessen wird. Das Gleiche gilt für die Frage, wann die Strafverfolgungsbehörden tätig geworden sind: in Bayern rund 3 000-mal und in Niedersachsen im gleichen Zeitraum 15 000 Zugriffe. Das macht deutlich, dass auch hier offensichtlich mit unterschiedlicher Elle verfahren wird. Wenn sich das dann in 2,6 Milliarden Euro weniger Einnahmen insgesamt auswirkt, dann kann ein armes Land wie Niedersachsen nicht tatenlos zusehen, wie die reicheren Bundesländer ihrer Verpflichtung in der Solidarität der Länder nicht nachkommen.

Ich habe nur wenige Zahlen genannt, weil der Finanzminister in Niedersachsen erklärt hat, die Vergleichsmaterialien, die wir haben, seien vertraulich zu behandeln. Ich halte das für ein Unding. Wenn ich im Internet und im Bericht des Bundesrechnungshofs nachgucke, finde ich überall Zahlen, die hier in Niedersachsen plötzlich für vertraulich erklärt werden, aber das Handwerkszeug dafür sind, den Nachweis zu erbringen, dass dieser Finanzminister offensichtlich billigend in Kauf genommen hat, dass Niedersachsens Anteil aus diesen 690 Millionen Euro, aber auch aus dem, was im Übrigen beigebracht worden ist, überproportional bei den Ländern bleibt, die finanzstärker sind und ihrer Pflicht nicht nachkommen.

Ich sage das so deutlich, weil Niedersachsen, wenn man das halbwegs nachrechnen und über die Faustregeln bestimmen will, weit über 100 Millionen Euro aus dieser Operation Bankenfälle verloren gehen, die von den anderen Bundesländern nicht in der nötigen Konsequenz verfolgt worden sind.

Ich weiß sehr wohl, dass jetzt gesagt wird: Waren Sie nicht Finanzminister zu der Zeit, als das losgegangen ist? - Da gebe ich Ihnen Recht. Ich war Finanzminister. Aber wir haben aus Niedersachsen Mehrheiten gegen den Widerstand des Bundes und gegen den Widerstand anderer Bundesländer geschmiedet und haben ein Gesetz durchgesetzt, um die Aufbewahrungsfrist für Beweismaterial zu verlängern. Nur so war es überhaupt möglich, an die Milliarden heranzukommen, die hinterzogen worden sind. Gegen den Widerstand einiger Bundesländer ist das Tableau erstellt worden, das es erstmals in dieser Zeit möglich gemacht hat, auch den Bayern Zahlen abzuverlangen, die sie nicht auf den Tisch legen wollten. Das Ergebnis ist offensichtlich, dass Bayern im Konzert der Bundesländer so etwas wie eine steuerpolitische Oase ist und die Steuerzahler pflegt, ob es die Wirtschaft, Private oder Steuerhinterzieher sind. Das kann so nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Das Steuerrecht ist in der Bundesrepublik einheitlich zu vollziehen. Das muss sich letztendlich auch am Zahlenwerk deutlich machen. Wir haben also gesagt: Finanzminister, leg die Zahlen offen, diskutier mit uns über die Schwachstellen, die bei den Bankenfällen aufgetreten sind, erarbeite mit uns zusammen Möglichkeiten, im föderalen Aufbau der Steuerverwaltung Lösungen zu finden, dass in Bayern wie in Mecklenburg- Vorpommern, aber auch in Niedersachsen nach den gleichen Methoden die Steuern erhoben, festgesetzt und vollzogen werden!

Der Finanzminister hat gesagt: Es gibt keinen Handlungsbedarf! - Wenn es bei 2,6 Milliarden Euro zulasten der Bundes- und Länderkassen keinen Handlungsbedarf gibt, dann lebt dieser Finanzminister in einer völlig verkehrten Welt. Deshalb wollen wir ihn rügen und auffordern, die Zahlen und Fakten auf den Tisch zu legen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)