Zum Tagesordnungspunkt: Gemeindefinanzreform konsequent fortsetzen - Einnahmen für Kommunen nachhaltig und dauerhaft verstetigen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/961 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/1156

Herr Althusmann, kennen Sie den Unterschied zwischen Ihren Reden von heute und von vor zwei Jahren? Es gibt keinen Unterschied in der Sache, aber es gibt einen Unterschied im Hinblick auf den Adressaten. Vor zwei Jahren haben Sie die Landesregierung aufgefordert, alles Mögliche zu tun und vor allen Dingen ihre Aufgabe im Hinblick auf die Finanzausstattung der Gemeinden wahrzunehmen.

Der Kollege hat eben darauf hingewiesen, dass die kommunalen Spitzenverbände Ihnen etwas in das Stammbuch geschrieben haben. Sie haben einen Antrag gestellt, in dem alle, aber auch alle Verantwortlichkeit in Richtung Bonn abgeschoben worden ist

(David McAllister [CDU]: Die Bundeshauptstadt ist Berlin!)

und die Niedersächsische Landesregierung, die Sie ja maßgeblich mitbestimmen können, praktisch von allem Unsinn freigesprochen worden ist, der hier im Lande passiert. Es ist ein Skandal, Herr Althusmann, dass Sie mit Ihrer Rede von gestern heute Politik machen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das eigentlich Schöne an der Geschichte ist, dass sich Ihre Kronzeugen von gestern heute in Kontinuität gegen Sie wenden. Eben ist aus dem vierseitigen Schreiben zitiert worden, das auch Ihnen vorliegt und im Innenausschuss Gegenstand der Beratungen war. Ich frage mich, warum Sie nicht mit einem einzigen Wort auf dieses Schreiben der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens eingegangen sind.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das habe ich doch gesagt! Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist ein Affront gegen die Kommunen in Niedersachsen, das ist ein Affront gegen die kommunalen Spitzenverbände, weil sie offiziell gefragt worden sind, was sie von diesem Antrag halten. Sie haben gesagt: nichts, aber auch gar nichts, weil er nicht weiterführt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht! Sie wissen auch, dass es nicht stimmt!)

Das ist die Quintessenz aus dieser Diskussion. Deshalb haben Sie hier heute einen so vehementen Auftritt in Richtung Berlin hingelegt. Sie vergessen dabei, Herr Kollege, dass in der Kommission, die Finanzminister Eichel einberufen hat, auch die CDU, die Wirtschaft und die kommunalen Spitzenverbände vertreten waren. Sie wollten in der Vergangenheit nicht wahrhaben, dass es ein Konzept zur Stabilisierung, Verstetigung und Verbesserung der kommunalen Finanzen gab, allerdings auf der Grundlage einer Gewerbesteuer mit verbreiterter Basis. Die Realisierung haben Sie als CDU/CSU und die FDP verhindert,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

weil Sie sich aus ordnungspolitischen Gründen in eine Politik verrannt haben, die nichts anderes als eine Steuererhöhungspolitik für die Lohn- und Einkommensteuerzahler in den Städten und Gemeinden ist. Das ist die Botschaft, die Ihrem Redebeitrag heute zu entnehmen war.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nimmt man das wörtlich, was von dem Kollegen heute gesagt worden ist und was in dem vierseitigen Schreiben der Spitzenverbände steht, so wird man an den jetzigen Innenminister Schünemann erinnert, der noch im Januar 2003 kurz vor dem Regierungswechsel gesagt hat, in Niedersachsen zeige die Uhr fünf nach zwölf, was die kommunalen Finanzen angeht. Wir sind jetzt 16 Monate weiter, Herr Kollege. Sie haben die Zahlen genannt. Die Situation ist schlimmer geworden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir haben auch die dafür Verantwortlichen benannt!)

Sie, die ein Handeln nach dem Konnexitätsprinzip gefordert haben, die ein Vetorecht für die Kommunen gefordert haben, wie es der Innenminister getan hat, die Konsultationsmöglichkeiten gefordert haben, haben nichts, aber auch gar nichts in dieser Richtung innerhalb von 16 Monaten umgesetzt. Dabei sollte es in den ersten 100 Tagen passieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Sie hatten 13 Jahre Zeit und haben nichts getan! Wo sind Ihre bundespolitischen Initiativen?)

Diesen Wortbruch, Herr McAllister, werden wir in diesem Lande in jedem Rat und in jedem Kreistag begründet vortragen,

(David McAllister [CDU]: Schämen Sie sich doch für das, was Sie da reden!)

weil die Strategie, die dahintersteht, durchsichtig ist. Sie schieben jeden Tag neue Aufgaben und neue Ausgaben in die Haushalte der Kommunen und vermeiden deshalb das Konnexitätsprinzip.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Stimmen Sie dem Antrag der SPD doch zu, dann wäre das Problem erledigt. Aber nein, Sie machen eine Schulreform und drücken den Kommunen die Investitionskosten auf.

(David McAllister [CDU]: Schade um die Redezeit!)

Sie machen eine Verwaltungsreform mit getürkten Zahlen, und am Ende werden die Kommunen die Aufgaben auszuführen haben, aber nicht das notwendige Geld haben.

Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo: Herr Aller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Althusmann?

Heinrich Aller (SPD):

Er hat vorhin schon lange geredet. Er kann sich noch einmal melden. - Sie machen eine Reform nach der anderen und überwälzen indirekt Aufgaben auf die Kommunen. Die sozialen Konflikte werden vor Ort ausgetragen werden. Sie schaffen die Lernmittelfreiheit ab, sie schaffen die Hausaufgabenhilfe ab, und jetzt sind Sie dabei, auch die Sprachförderung in den Kindergärten infrage zu stellen. Das alles sind doch Dinge, die Sie abbauen und die bei den Kommunen sofort als Problem wieder auftauchen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn Sie von Konnexität in Richtung Berlin reden, sage ich Ihnen: Fangen Sie in Niedersachsen an, und legen Sie die Karten auf den Tisch.

(David McAllister [CDU]: Das sagen Sie als ehemaliger Finanzminister? Das wäre doch Ihr Job gewesen!)

Sie haben dieses Haus hier belogen, indem Sie gesagt haben: Nächsten Monat sind wir fertig.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU - Zuruf von der CDU: Jetzt reicht es! -Weitere Zurufe von der CDU - Glocke der Präsidentin)

Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo: Herr Aller, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für den Vorwurf, dass der Kollege gelogen hat.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Wir wissen, dass Sie sich nicht benehmen können! Das ist ein unglaublicher Vorgang!)

Heinrich Aller (SPD): Dann wiederhole ich eben die Wahrheit: Die Mehrheit in diesem Hause hat angekündigt, vor der Sommerpause ein Gesetz zur Konnexität vorzulegen. Diese Zusage ist nicht eingehalten worden. Dafür hat die deutsche Sprache eine Bezeichnung, die ich hier nicht verwenden darf, die aber jeder kennt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was Sie hier praktizieren, ist Arroganz der Macht. Die Kommunen werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.

(Zuruf von Heinz Rolfes [CDU])

Meine Damen und Herren und Herr Rolfes, wir sind ausgesprochen dankbar, dass Sie diesen Antrag nicht zurückgezogen haben. Wir werde ihn in unsere Handakten nehmen zusammen mit dem Schreiben der kommunalen Spitzenverbände, und wir werden in der Diskussion vor Ort dieses Urteil, das Ihnen in die Akten geschrieben worden ist, immer wieder vortragen. Ich wiederhole: Vor diesem Hintergrund ist aus unserer Sicht - so sagen die kommunalen Spitzenverbände - schnelles und konkretes Handeln in Berlin, aber vor allen Dingen aber auch in Niedersachsen, gefordert. Die Fortsetzung des Austausches von Positionen, der bereits in der Gemeindefinanzkommission 2002/2003 - das war die, die Herr Althusmann angesprochen hat - keine Verbesserungen gebracht hat, die ist nicht notwendig.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist so überflüssig wie ein Kropf. Ziehen Sie ihn zurück. Dann müssen wir nicht über ihn abstimmen. Wenn wir über ihn abstimmen müssen, dann lehnen wir ihn ab. - Schönen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)