Zum Tagesordnungspunkt: Europawahl am 13. Juni 2004: Europa stärken - Wählen gehen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/849

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das, was in der Überschrift dieses Antrags steht, vom Landtag gemeinsam getragen würde, dann wäre das schon etwas. Das wäre einmal das Zeichen, im Vorfeld der Europawahl gemeinsam und überparteilich aufzutreten, und dann das Signal, die Wahlbeteiligung so hoch wie möglich zu bekommen. Das wäre sicherlich eine Botschaft - wenn sie denn gelänge -, um die Europawahl in diesem Jahr mit den 25 Nationen in ein besonderes Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Der Antrag ist deshalb auf die Motivation zur Stimmabgabe ausgerichtet. Wir wollen die Voraussetzungen sichergestellt wissen, dass diejenigen, die erstmals an der Wahl teilnehmen, auch die Modalitäten kennen.

Wenn es gelänge, die Wahlbeteiligung über 50 % zu führen, also auf eine Höhe, die wir schon einmal erreicht haben, dann wäre der Negativtrend bei der Wahlbeteiligung gebrochen. Der gemeinsame Aufruf, den wir anstreben, soll noch einmal dokumentieren, dass sich dieser Landtag hinter ein starkes Europa stellt, und zwar über die Parteigrenzen hinweg. Bei dieser Formulierung macht es auch Sinn, dass sich alle Fraktionen hinter dieses Petitum stellen. Wir sind natürlich offen für Beratungen im Ausschuss, weil wir Bausteine zusammensetzen müssen, um diesen Aufruf noch zu unterfüttern. Wichtig ist aber, dass wir die Ausgangslage schonungslos diskutieren und offen legen. Dabei ist es nicht unwichtig, einmal zurückzuschauen und zu sehen, wie sich die Wahlbeteiligung denn in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich gehe nur auf die Jahre 1994 und 1999 zurück und stelle fest, dass genau im umgekehrten Verhältnis dazu, wie die Bedeutung europäischer Entscheidungen gewachsen ist, die Wahlbeteiligung auch in Deutschland dramatisch eingebrochen ist. 1994 hatten wir noch 52,7 % abgegebene Stimmen; das waren mehr als 3 Millionen. 1999 ist die Wahlbeteiligung in Niedersachsen auf 44,2 % gesunken; es waren nur noch 2 613 000 Stimmen. Wenn man das einmal zusammen beurteilt, muss man feststellen, dass wir bei einer steigenden Zahl der Wählerinnen und Wähler rund eine halbe Million Stimmen, d. h. positive Aussagen für Europa, verloren haben.

Bei der bevorstehenden Europawahl am 13. Juni 2004 werden wir mehr als 6,2 Millionen Wahlberechtigte haben. Es ist in diesem Jahr nicht unwichtig, dass die Anzahl der so genannten nichtdeutschen Unionsbürgerinnen und -bürger - so werden die bezeichnet - mehr als 130 000 betragen wird. In dieser Zahl sind allerdings viele nicht enthalten, die eine Doppelpass-Situation vorweisen können. Insbesondere die Deutschen, die mit einem deutschen Pass hergekommen sind, fallen natürlich nicht unter den Begriff Ausländer, werden aber gleichwohl Probleme mit dem Verständnis des deutschen und erst recht des europäischen Wahlsystems haben.

Bei den nichtdeutschen Wahlberechtigten ist es nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass infolge der Erweiterung um zehn Staaten rund 31 000 zusätzliche Wähler an die Wahlurnen gebeten werden. Der größte Teil dieser Wähler - mehr als 20 000 - kommt aus Polen. Damit kein Zweifel aufkommt, meine Damen und Herren: Der Aufruf oder der Appell, wie wir ihn gerne hätten, soll sich natürlich vorrangig an die deutschen Wählerinnen und Wähler richten, die das Gros derer ausmachen, die am 13. Juni an die Urnen gebeten werden.

Die Tatsache, dass bei ihnen die Wahlbeteiligung so drastisch eingebrochen ist, macht es nach unserer Auffassung notwendig, demonstrativ darauf hinzuweisen, dass es in Deutschland ein überparteiliches Interesse geben muss, die Wahlbeteiligung wieder nach oben zu wenden, weil eine Abkehr von der europäischen Wahl in eine Antistimmung gegen Europa uminterpretiert werden könnte. Dieses Feld darf man nicht für diejenigen frei machen, die in den letzten Jahren immer wieder versucht haben, die europäische Integration schwarz zu malen und negativ zu beurteilen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man positiv herausstellen will, dass wir in den letzten Jahren gemeinsam dafür gestritten haben, dass der Europagedanke unterstützt wird, dann ist das mit Sicherheit an Einrichtungen wie dem EIZ festzumachen, das sich in den letzten Jahren in der Vermittlung des europäischen Gedankens hervorragend bewährt hat. Es hat mit dem Internet-Auftritt, der dort vorgehalten wird, erheblich zur Information der Bürgerinnen und Bürger beigetragen. Die Europawoche, die für den 1. bis 9. Mai vorgesehen ist, ist eine Chance auch für Abgeordnete, sich im Dialog mit Schulen, Organisationen oder auch vor Ort dafür einzusetzen, dass die Wahlbeteiligung steigt. Entscheidend scheint mir aber zu sein, dass wir nicht vergessen, dass Europa immer auch einen internationalen Ansatz in sich birgt: 25 Nationen, aufgerufen zur Wahl in Deutschland. Das macht es für einige, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, schwierig, zu begreifen, dass sie in Deutschland für Europa wählen sollen und dass sie die Parteien, die sie in ihren Heimatländern gerne wählen würden, auf dem deutschen Wahlzettel gar nicht finden. Der Weg, die Stimme über die Konsulate oder die Botschaften abzugeben, ist ausgesprochen kompliziert.

Das wird auch dadurch nicht wesentlich einfacher, dass in den Vorschriften, die inzwischen veröffentlicht worden sind und die auch im Internet nachzulesen sind, klar herausgestellt wird, wie man sich in eine Wahlliste einzutragen hat und dass der 23. Mai der Ausschlusstermin ist. Es muss also deutlich vor dem eigentlichen Wahltermin klargestellt werden, ob man seine Stimme in Deutschland oder im Heimatland abgibt.

Ein besonderes niedersächsisches Problem, wenn man auch lokale Aktivitäten über den Landtag vorantreiben will, sind nach meiner Einschätzung die Ballungsräume: Ungefähr die Hälfte der wahlberechtigten ausländischen Bürgerinnen und Bürger wohnt in acht Ballungsgebieten; 30 000 allein in der Region Hannover mit einem entsprechend hohen Anteil an nichtdeutschen, also polnischen Bürgerinnen und Bürgern.

Wenn man sich überlegt, was neben dem Appell, der hier angesprochen worden ist, vom Landtag auf den Weg gebracht werden könnte, kommt man zu einer ganzen Reihe von Vorstellungen. Ganz im Zentrum sollte meiner Meinung nach die Aufgabe des gesamten Landtages stehen, sich aktiv einzusetzen und beispielsweise, solange die Sperrfristen in den Schulen nicht greifen, über die jüngere Generation auch die Eltern und die Großeltern anzusprechen, die möglicherweise erhebliche Schwierigkeiten haben, mit den örtlich veranlassten Informationen zurechtzukommen. Die Europäische Woche des EIZ ist hier sicherlich angezeigt. Fasst man das zusammen, dann meine ich, dass das Verständnis für zusätzliche europäische Aktivitäten in diesem Landtag ausgesprochen groß ist. Wenn man dem rundblick glauben darf, so haben auch die Landeskabinette von Thüringen und Niedersachsen inzwischen beschlossen, die Europaaktivitäten der für Europa zuständigen Zentren, also der EIZ, zusammenzulegen. Am 8. und 9. Mai soll auf der Wartburg aus Anlass der EU-Osterweiterung ein Fest gefeiert werden, wie es in diesem Artikel heißt. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir eine breite Basis dafür herstellen können, dass wir gemeinsam die europäische Idee und den Wahltermin 13. Juni noch einmal durch einen Kraftakt nach vorne bringen können. Es sind nur noch drei Monate Zeit, um etwas auf die Beine zu stellen. Für die ausländischen Mitbürgerinnen und -bürger läuft die Anmeldefrist am 23. Mai ab, und dann müssen sie sich erklärt haben, ob sie hier in Niedersachsen, im Konsulat oder an anderer Stelle ihre Stimme abgeben.

Wenn das unsere gemeinsame Aufgabe ist und wir uns schnell einigen können, dann bin ich sicher, dass wir noch die eine oder andere Aktivität aus dem Landtag heraus unternehmen und mit Unterstützung der Landesregierung auf den Weg bringen können. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung für diesen Antrag. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)