Zum Tagesordnungspunkt: Finanzautonomie stärken: Erbschaftssteuer als Ländersteuer verfassungskonform gestalten - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/3618

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Finanzminister sehr dankbar dafür, dass er den Zusammenhang dargestellt hat, in dem die Erbschaftsteuer diskutiert wird, und die Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil zum Besten gegeben hat. Seine Ausführungen haben deutlich gemacht, warum der Antrag der FDP völlig daneben liegt. Hier wird mithilfe einer Ablenkungsstrategie versucht, den Dissens zwischen den beiden Koalitionspartnern zu verdecken. Herr Möllring hat klargemacht, dass er, eingebunden in die Diskussion in der Großen Koalition, hieran konstruktiv mitarbeiten muss, will oder gar nicht anders kann, und die FDP redet über die Föderalismusreform Teil II, die mit dem aktuellen Thema überhaupt nichts zu tun hat.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Herr Aller, die Kommission konstituiert sich morgen!)

- Herr Bode wird verstanden haben, dass der Zeitablauf die Koalition hier in Hannover schon in diesem Jahr unter Entscheidungsdruck setzen wird.

Dann muss Farbe bekannt werden, Herr Bode. Wir von der SPD wollen nicht, dass Sie sich bei der Abstimmung wieder enthalten und hinterher kassieren. Es geht um 258 Millionen Euro an Erbschaftsteuern, die im Haushalt 2007 veranschlagt sind. Diese Mittel wollen wir nicht verlieren. Was passiert, wenn man blockiert und aussitzt, sehen wir bei der Vermögensteuer. Bei der Vermögensteuer ist im Jahr 2007 zum ersten Mal eine glatte Null veranschlagt. Das war das Ergebnis einer nicht gegebenen Handlungsfähigkeit der Akteure in einem Bereich, in der eine Landessteuer betroffen ist.

Unser Antrag, der am Donnerstag diskutiert werden soll, zeigt die Eckdaten auf, auf deren Berücksichtigung wir in dem Verfahren, das wir aus Niedersachsen mit beeinflussen wollen, dringen wollen.

(Bernd Althusmann [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsident Ulrich Biel: Herr Kollege Aller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Althusmann?

Heinrich Aller (SPD): Immer - wenn Sie die Zeit seiner Ausführungen von meiner Zeit abziehen; anderenfalls muss ich weiterreden.

Vizepräsident Ulrich Biel: Herr Aller, nach der neuen Geschäftsordnung ist das nicht mehr der Fall. - Bitte sehr, Herr Althusmann!

Bernd Althusmann (CDU): Herr Aller, Sie sprachen eben davon, dass die Vermögensteuer im Haushalt des Landes mit null angesetzt sei. Ist Ihnen bekannt, dass seit dem 1. Januar 1997 - dieser Zeitpunkt fällt in die Zeit, als Sie Finanzminister waren - die Vermögensteuer aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. Juni 1995 nicht mehr erhoben wird?

Heinrich Aller (SPD): Das ist mir bekannt. Ich will ja mit Ihrer Hilfe erreichen, dass wir bei der Erbschaftsteuer nicht das gleiche Desaster erleiden, Herr Althusmann.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sind Sie aufgerufen, hier ganz tüchtig mitzuhelfen. Zu dem zweiten Punkt, der hier eine Rolle spielt: Wir reden hier nicht über die Besteuerung von Einfamilienhäusern, sondern wir reden in der Tat, wie Herr Wenzel gesagt hat, über ein Stück Steuergerechtigkeit in diesem Land. Es kann nicht sein, dass Millionenvermögen mit einer Minimalbesteuerung weitervererbt werden, während gleichzeitig die Bruttolöhne von Arbeitnehmern massiv - mit bis zu 35 % - besteuert werden. Das ist ungerecht. Deshalb ist die Erbschaftsteuer ein Stück Substanzbesteuerung, das fester Bestandteil in unserem Steuersystem sein muss.

(Beifall bei der SPD)

Ein dritter Punkt: Wir wollen in der Tat die Chancen, die das Bundesverfassungsgericht eröffnet hat, im unternehmerischen Bereich nutzen, aber nicht ohne Gegenleistung. Das Betriebsübergabeverfahren soll also steuerlich begünstigt werden, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Unternehmen und die Arbeitsplätze am Markt bleiben. Dann kann die Erbschaftsteuer über zehn Jahre in Stufen gestundet bzw. auch erlassen werden. Diese Bedingung - darin bin ich mit Herrn Möllring wohl einig - wird in einem Paket verhandelt werden müssen, in dem einerseits die Bemessungsgrundsätze festgelegt werden und bei dem andererseits das Verfahren nachgeschaltet wird. Da kann es überhaupt kein Vertun geben. Wenn man so verfährt, ist die entscheidende Frage: Wie werden diese Bemessungsgrundsätze definiert? - Herr Bode, das Verfassungsgericht hat gesagt - das ist eine schlichte Erkenntnis -: Was bisher praktiziert worden ist, ist völlig ungerecht gewesen; denn Immobilien, Häuser und Liegenschaften sind günstiger als Geldvermögen weggekommen. Der gemeine Wert ist nichts anderes als der Verkehrswert.

Wir sind nun aufgerufen, dies durchzusetzen. Daran dürfen Sie mitwirken. Dann dürfen Sie auch zustimmen. Am Ende bleibt für uns die Frage, ob Sie bereit sind, einige Dinge, die wir unbedingt für notwendig halten, im künftigen Verfahren konstruktiv zu begleiten, oder ob Sie über einen Seitenweg mithelfen wollen, die Erbschaftsteuer komplett abzuschaffen.

Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang wirklich einmal einen Blick über die Landesgrenzen hinweg, und zwar auch auf andere Länder in Europa, in denen andere Erbschaftsteuerregelungen gelten als bei uns. Wir haben uns beider Erbschaftsteuer im unteren Mittelfeld angesiedelt. In den angelsächsischen Ländern greift die Erbschaftsteuer demgegenüber in wesentlich größerem Umfang. Bei uns wird gesagt, dass die Neuregelung aufkommensneutral sein müsse. Wir gehen davon aus, dass es selbst bei Erfüllung der hier erläuterten Minimalforderung zu Verschiebungen kommen muss, was bedeutet, dass einige mehr, andere vielleicht genauso viel wie bisher und wieder andere weniger zahlen müssen. Es darf aber nicht so sein, Herr Bode, dass Ihre Klientel im Rahmen der Erbschaftsteuerreform noch besser absahnt, als es bisher der Fall ist, und andere dafür die Zeche zahlen.

Herr Bode, ich sage es am Schluss ganz deutlich: Wir sind für eine Erbschaftsteuerneuregelung, die erstens das sehr deutliche Signal setzt, dass Kleinverdiener und Einfamilienhausbesitzer durch die neue Regelung keinen Schaden nehmen, und die zweitens so angelegt ist, dass ein Gleichstand von Geldvermögen, Immobilien und ähnlichen Werten erreicht wird.

Vizepräsident Ulrich Biel: Herr Abgeordneter Aller, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Heinrich Aller (SPD): Ich bin sofort fertig. - Drittens wollen wir erreichen, dass die Weitergabe des Betriebes nicht zulasten der Arbeitsplätze und der kleinen und mittelständischen Betriebe geht, wie ich dies skizziert habe. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)